Kollegin Bella ist eine echte Bereicherung
Ovenhausen. „Vorsicht, Ihre Lieferung ist unterwegs. Bitte lassen Sie mich durch“, ruft Bella mit Nachdruck in der Stimme. Nachdem Hotelchefin Manuela Bruns ihrer emsigen Restaurant-Mitarbeiterin den Weg frei gemacht hat, zwinkert ihr Bella freundlich zu und flitzt eilig zu dem Tisch, an dem die Bestellung aufgegeben wurde. Obwohl sie lediglich 1,30 Meter misst, transportiert sie auf ihren vier Tabletts rund 40 Kilogramm Speisen und ist somit ein echtes Kraftpaket. Man muss allerdings hinzufügen, dass es sich bei Bella um keine gewöhnliche Mitarbeiterin handelt – sie ist ein BellaBot-Serviceroboter.
Die Betreiber des Hotel Höxter „Am Jakobsweg“, Manuela und Rainer Bruns, haben Bella vor rund einem Jahr zur Personalunterstützung angeschafft. Mit ihrem sympathischen Antlitz und der angenehmen Stimme hat die Roboterdame sowohl die Herzen der Belegschaft als auch der Gäste im Sturm erobert.
Der idyllische Höxter Stadtteil Ovenhausen hat gerade mal 1108 Einwohner. Daher kommt es häufiger vor, dass sich die Gäste des Restaurants Höxter „Am Jakobsweg“ verwundert die Augen reiben, wenn ihr Essen von einem hochmodernen Gastronomie-Roboter an den Tisch geliefert wird. „So etwas erwartet man in so einem kleinen Ort nicht“, sagt Manuela Bruns.
Wie viele andere Gastronomiebetriebe ist ihr Hotel vom Fachkräftemangel betroffen. Daher sei die Entscheidung, sich einen digitalen Helfer anzuschaffen, unumgänglich gewesen. „Wir finden einfach kein Personal, da viele Servicekräfte in der Coronakrise der Gastronomie den Rücken gekehrt haben“, betont Bruns. Bella habe zwar rund 20.000 Euro gekostet, aber diese Investition habe sich gelohnt, denn sie sei eine große Hilfe für das Team.
Im März 2022 besuchte sie mit ihrem Mann Rainer die Internorga in Hamburg, eine internationale Fachmesse für Hotel und Gastronomie. „Dort kam uns Bella in Halle 1 entgegen und hat uns gebeten, sie zu ihrem Stand zu begleiten“, sagt sie. Das Ehepaar folgte ihr und informierte sich am Stand des Hightech-Unternehmens Pudu Robotics über die verschiedenen Serviceroboter. Vor der Abreise statteten sie dem Stand des Roboter-Herstellers einen weiteren Besuch ab. „Bella ging uns nicht mehr aus dem Kopf“, sagt die Hotelchefin.
Nach Rücksprache mit ihrem Team wurde ein BellaBot geordert. „Ihr seid total verrückt“, habe das gesamte Personal im Chor gejubelt. Die Mitarbeiter hätten es kaum fassen können, dass solch eine große Investition getätigt werden soll. „Wir alle konnten Bellas Ankunft kaum erwarten“, sagt Bruns. Im Juni 2022 war es so weit. In einem großen Paket wurde der Roboter direkt aus China nach Ovenhausen geliefert und in der Restaurantküche aufgestellt. „Nachdem ein Techniker sie installiert und eine Navigationskarte erstellt hat, war die Bedienung kinderleicht. Ich habe mich schnell damit zurechtgefunden“, betont Bruns. Der Roboter lässt sich sowohl per Smartphone als auch per Roboter-Display steuern.
Zur Demonstration startet Bruns die Roboter-App auf ihrem Smartphone und klickt auf den Button Tisch 3. Wenige Sekunden später setzt sich Bella in Bewegung und rollt flink heran. Der Roboter sieht aus wie ein futuristischer Servierwagen mit vier großen Tabletts. Auf dem Display blickt man in ein animiertes Katzengesicht mit dreieckigen Katzenohren, was zudem über freundliche Kulleraugen und ein verschmitztes Lächeln verfügt. „Hallo, hier kommt ihr Essen“, kündigt eine sympathische Frauenstimme die bevorstehende Lieferung an. Als der Roboter den Tisch erreicht, blinkt das entsprechende Tablett und die Teller können heruntergenommen werden. Bruns bestätigt den Empfang mit der Fertig-Taste und Bella rollt zurück an ihren Stammplatz in der Küche. Nach dem Essen ruft sie den Roboter erneut mit dem Smartphone herbei. Sie stellt die benutzten Teller auf das Tablett und mit einem Druck auf die Küchen-Taste rollt Bella von dannen.
Bella tritt bereits vor dem Servieren in Erscheinung. Sobald Gäste das Restaurant betreten, begrüßt sie diese mit einem freundlichen „Willkommen“. Dieser Begrüßungstext lässt sich individuell programmieren. Nach der Begrüßung begleitet Bella die Gäste an den reservierten Tisch. Dort kann die Servicekraft die Interaktion mit den Gästen übernehmen und Bella kann in der Zwischenzeit andere Routineaufgaben ausführen.
Für besondere Anlässe, wie etwa Geburtstagsfeiern, hat Bella eine Überraschung parat. Als Bruns den Geburtstagsmodus aktiviert, blinkt sie in allen Regenbogenfarben und singt dazu Geburtstagslieder. Man könne sie auch in verschiedenen Sprachen programmieren. „Sie erzählt auch Witze. Daran muss der Hersteller aber noch arbeiten, denn das kann sie nicht besonders gut“, sagt sie schmunzelnd.
Mithilfe des Serviceroboters lässt sich das Restaurant optimal weiterführen. „Ich bin allein für den Service zuständig und Bella spart mir Wege“, erklärt Bruns. Heutzutage würden viele Servicekräfte nur noch das „Tellertaxi“ spielen, wodurch der eigentliche Job leide, da man sich nicht mehr um die Gäste kümmern könne. „Man kann nun wieder Gespräche mit den Gästen führen und diese beraten, während Bella in der Küche beladen wird“, betont sie.
Von den Gästen kommt durchweg positives Feedback. „Wenn Bella um die Ecke kommt, sorgt sie bei den Gästen immer für eine Überraschung“, sagt Bruns. Sogar die älteren Leute seien völlig fasziniert, so nach dem Motto: „Das ist schön, dass ich so etwas noch erleben darf!“ Manche Gäste packten sogar selbst mit an. Im vergangenen Jahr sei eine Motorradgruppe zu Besuch gewesen, die cool reagierte und sagte: „Fahrt uns Bella schon mal her, wir räumen dann selber ab.“
„Die Gäste können auch mit Bella interagieren. Das kommt besonders bei Kindern und Familien gut an“, sagt Bruns. Langsam streichelt sie Bella übers Ohr, was diese mit einem zufriedenen Miauen quittiert. Der Roboter lässt sich dies eine ganze Weile gefallen, aber dann hat er genug und weist die Gastwirtin energisch darauf hin, dass er jetzt wieder arbeiten muss.
Das Personal hat keine Angst, dass Bella seine Arbeitsplätze gefährdet. Frühstücksfee Sabine Gebler hatte anfangs zwar Berührungsängste, was sich aber schnell legte, da der Roboter absolut bedienungsfreundlich sei. „Ich bin inzwischen mit Bella auf Du und Du“, betont sie. Sie habe den Roboter in ihren Arbeitsablauf integriert. Beim Aufbau des Frühstücksbuffets sei er eine große Hilfe. „Bei größeren Gruppen muss Bella nur ein- bis zweimal fahren, um das Geschirr abzuräumen“, sagt sie. Es gehe alles viel schneller und effektiver. Sie könne sich ihre Arbeit ohne Bella nicht mehr vorstellen. „Früher musste ich unzählige Male Geschirr zwischen Küche und Gastraum hin und her schleppen“, erinnert sich Gebler. Das sei ziemlich anstrengend gewesen.
Köchin Claudia Lambrecht stimmt ihr zu: „Die Arbeit ist durch Bella entspannter und wird mir dadurch erleichtert.“ Küchenchef Jan Walther fügt hinzu: „Man muss nicht auf den Service warten und hoffen, dass er schnell genug kommt, um das Essen herauszubringen, damit es nicht kalt wird. Stattdessen können wir Bella bestücken und direkt an den Tisch fahren lassen.“ Man könne insgesamt acht Teller draufpacken. So könnten die Gäste gleichzeitig mit dem Essen beginnen.
Gastwirtin Bruns betont: „Bella soll kein Personal ersetzen. Sie ist nur eine Unterstützung, da sie im Grunde nur ein fahrendes Tablett ist.“ Das Servieren, das Aufnehmen der Bestellungen und das Abräumen der Tische muss also weiterhin von menschlichen Kollegen erledigt werden. Getränke bringt Bruns ebenfalls zu Fuß an den Tisch, da Bella beim Fahren über die Bodenfliesen manchmal etwas ruckelt und die Gefahr besteht, dass Flüssigkeit auf das Tablett schwappt.
Der BellaBot wurde von der Firma Pudu Robotics aus Shenzhen in China entwickelt. In der Schweiz hat sich die Firma Sebotics den exklusiven Vertrieb gesichert. Mitarbeiter Kushtrim Hajrullahu (Administration, Finanzen, HR) betont: „Der Serviceroboter ist dazu da, um das Personal zu entlasten. Die Kunden sowie deren Mitarbeiter, die wir bis heute verzeichnen können, sind sehr zufrieden.“ Die Roboter unterstützten die Mitarbeiter, indem sie das schwere Geschirr transportierten und lange Wege zwischen Küche und Speisesaal meisterten. „Dadurch haben die Mitarbeiter wieder mehr Zeit, sich um die Gäste zu kümmern“, sagt er.
Serviceroboter seien ein großartiges Marketinginstrument, um neue Gäste oder Mitarbeiter anzuziehen. „Gäste sprechen gerne mit Freunden über das einzigartige Gastronomie-Erlebnis und Mitarbeiter werden sich bevorzugt bei solch einem modernen Betrieb bewerben“, ist Hajrullahu überzeugt. Laut Sebotics kann der BellaBot das Personal 24 Stunden lang, dank schnell wechselbarem Akku, ohne Ladepausen bei schweren Aufgaben unterstützen. Er spricht mit den Gästen, kommuniziert durch Mimik und Licht und reagiert auf Berührungen.
Manuela Bruns ist von Serviceroboter Bella überzeugt. Sie sei zuverlässig, arbeite ohne Softwareabstürze und biete den Mitarbeitern einen erheblichen Mehrwert. „So ein Roboter macht den Beruf der Servicekraft wieder attraktiver“, sagt sie. Dies sei besonders vorteilhaft für ältere Mitarbeiter, die gerne weiter in ihrem Beruf arbeiten wollen, aber nicht mehr so schwer schleppen können. Die Servicekraft könne direkt am Tisch bedienen und müsse nicht ständig in die Küche und wieder zurücklaufen.
„Ich bin mir sicher, dass es in Zukunft immer mehr Roboter in Gastronomie- und Hotelbetrieben geben wird“, betont Bruns. Es gebe bereits Überlegungen, einen weiteren Serviceroboter anzuschaffen, und zwar für die Zimmer des Hotels. „Damit können die Mitarbeiterinnen Bettwäsche, Handtücher oder Putzmittel transportieren“, sagt sie. Die Hotelchefin möchte Bella auf jeden Fall nicht mehr missen, denn sie sei „keine Konkurrenz, sondern eine echte Bereicherung“.
Autorin: Nadja Zecher-Christ